Im Vorfeld der diesjährigen Fachtagung „KI in Netzplanung und Netzbetrieb“, die vom 25.06.-26.06.2025 in Mannheim stattfindet, führte die Leiterin der Akademie, Andrea Schröder, ein Interview mit dem FGH-Vorstand und Tagungsleiter Dr. Andreas Olbrich. Herr Olbrich hatte seine ersten Berührungspunkte mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) bereits vor 35 Jahren. Welche dies konkret waren, welches Potential er für zukünftige KI-Anwendungen sieht und welche KI-Anwendungen von FGH Mitgliedsunternehmen bereits eingesetzt werden, erfahren Sie in diesem Interview.
Andrea Schröder: Herr Dr. Olbrich, Sie haben mir erzählt, dass Sie im Rahmen Ihrer Diplomarbeit bereits mit dem Thema KI in Berührung gekommen sind. Welche Berührungspunkte waren dies konkret?
Andreas Olbrich: In den 1990er Jahren gab es bereits eine große Begeisterung für den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). In Anlehnung an die menschliche Intelligenz sprach man zu Zeiten meiner Diplomarbeit vor ca. 35 Jahren von Expertensystemen und selbstlernenden neuronalen Netzen, die – mit hinreichend genügend Daten gefüttert – Zusammenhänge erkennen sollten, die der menschlichen Wahrnehmung verborgen waren. So beschäftigte ich mich in meiner Diplomarbeit u.a. mit der Frage, wie Messdaten von Maschinen mit Hilfe von KI Auskunft über die optimale Einstellung, den Wartungszustand und ggf. über bevorstehende Produktionsfehler einer Maschine geben konnten.
Seinerzeit waren die Anwendungen noch sehr begrenzt und das Ergebnis war insofern enttäuschend, als dass die damaligen IT-Werkzeuge noch nicht so anwendungsfreundlich und mächtig waren, um das Experten- und Erfahrungswissen in den Köpfen der Maschinenbediener wirkungsvoll zu ergänzen, oder sogar zu ersetzen.
Andrea Schröder: Wenn Sie die damaligen KI-Ansätze vergleichen mit dem heutigen Stand der Technik, wie würden Sie dies bewerten und welches Potenzial für zukünftige KI-Anwendungen sehen Sie?
Andreas Olbrich: In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Künstliche Intelligenz (KI) von einem Forschungsfeld mit begrenzten Anwendungen zu einer Schlüsseltechnologie entwickelt, die viele Bereiche des Lebens durchdringt. Diese Entwicklung wurde durch Fortschritte in Rechenleistung, Datenverfügbarkeit und algorithmischer Innovation ermöglicht.
Mit der aktuellen Dynamik in Bereichen wie generative KI und Multimodalität steht die KI vor einem neuen Zeitalter, in dem sie nicht nur analytisch, sondern auch kreativ wirken kann.
Die zukünftige Entwicklung bleibt also vielversprechend, insbesondere bei den Herausforderungen und Anwendungen in der Energietechnik und -wirtschaft, bei denen große Datenmengen innerhalb kürzester Zeit verarbeitet werden müssen, um die Systemstabilität auch künftig gewährleisten zu können.
Andrea Schröder: Auch Mitgliedsunternehmen der FGH setzen in unterschiedlichen Bereichen KI ein. Können Sie uns einen Überblick über die Ihnen bekannten KI-Aktivitäten geben?
Andreas Olbrich: Zu unseren Mitgliedsunternehmen zählen sowohl Netzbetreiber als auch Unternehmen der Elektroindustrie, z.B. Hersteller.
In Bezug auf KI-Anwendungen setzen beispielsweise die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber Amprion, TenneT, 50Hertz und TransnetBW Künstliche Intelligenz ein, um die Stabilität und Effizienz des Stromnetzes zu verbessern. Gemeinsame Projekte der Übertragungsnetzbetreiber haben den Netzentwicklungsplan (NEP) im Fokus, der den zukünftigen Ausbaubedarf des deutschen Höchstspannungsnetzes beschreibt. KI-gestützte Analysen spielen eine wichtige Rolle bei der Erstellung dieses Plans, um den steigenden Anteil erneuerbarer Energien zu integrieren und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Weiterhin optimieren die Übertragungsnetzbetreiber ihren Netzbetrieb durch den Einsatz von KI-Technologien, integrieren erneuerbare Energien effizienter und tragen zur Stabilität des deutschen Stromnetzes bei.
Auch Verteilnetzbetreiber setzen Künstliche Intelligenz (KI) in verschiedenen Bereichen ein, um ihre Effizienz und den Kundenservice zu verbessern. Der Einsatzbereich der KI-Initiativen umfasst dabei z.B.:
- Netzinspektion mit Drohnen
- Interne KI-Assistenz
- Datenanalyse von und für digitalen Ortsnetzstationen und Smart Grids
- Assistenzsysteme für Senioren im Smart Home
- Optimierung von Batteriespeichern
- Kundenservice-Chatbot
- u.v.m.
Auch bei den Herstellern unter unseren Mitgliedsunternehmen wird KI bereits vielfältig eingesetzt. Der Anwendungsbereich in der Energietechnik zielt auf die Steigerung von Effizienz, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit. Die Anwendungsbereiche umfassen u.a.:
- Optimierung von Energieanlagen - intelligente Steuerung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen
- Integration in Gebäudemanagementsystem - Überwachung und Steuerung von Gebäuden
- Erweiterung der industriellen Automatisierung
- Überwachung elektrischer Anlagen - System zur Visualisierung und Überwachung elektrischer Anlagen in Umspannwerken in Echtzeit
- Energiemanagement und industrielle Automatisierung
- Entwicklung nachhaltiger Infrastrukturen für KI-Anwendungen, insbesondere in Rechenzentren - flüssigkeitsgekühlte KI-Cluster, die energieeffizienten und nachhaltigen Betrieb ermöglichen
- Cloudbasierte Plattform, die unternehmensweite Energie- und Nachhaltigkeitsdaten konsolidiert und in verwertbare Erkenntnisse umwandelt
- Plattformbasierte Leitsysteme, die adaptive und interoperable Module für eine effiziente Netzbewirtschaftung bieten - virtuelle Leitwarte, die eine sektorenübergreifende Netzführung von der Höchst- bis zur Niederspannungsebene ermöglicht
- KI-basierte Software zur Erkennung von Anomalien im Netz. Diese Lösung überwacht das Netz systematisch und nutzt Künstliche Intelligenz für Sicherheitsanwendungen, um Anomalien frühzeitig zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten
- Lösungen für Asset Management, Netzverbesserung und Automatisierung von Netzprozessen
- Big Data-Analyse, die Datenerfassung, -analyse, -speicherung und -nutzung umfasst, um bessere Netzentscheidungen zu ermöglichen
Andrea Schröder: Vielen Dank für das Interview und die thematische Einordnung. Ich freue mich bereits auf weitere Einblicke in dieses spannende Thema bei unserer FGH-Fachtagung.